Itzstein im Exil

Den 3. Juli verließ ich Geisenheim und hoffte eine Zeitlang bei Itzstein weilen zu können. Als ich von Oestrich aus schon den halben Weg nach Hallgarten hinauf zurückgelegt hatte, erfuhr ich, daß Itzstein noch nicht zurückgekommen sei. Ich ging aber doch hinauf, packte meine Sachen um, nahm das Nothwendigste mit und fuhr um 7 mit dem Localboot nach Bingen. Jede literarische Tätigkeit, die ins politische Gebiet hinüber streifte und nicht mit der reaktionären Richtung übereinstimmte, galt damals für regierungsfeindlich und konnte für ihren Verfasser von den schlimmsten Folgen sein.

In Bingen wollte ich am 4. Juli mein fertiges Manuskript der zweiten Auflage der Spitzkugeln dem Buchdrucker übergeben. Er kam von Rüdesheim herüber, mußte aber unverrichteter Sache heimkehren, denn kurz vor seiner Ankunft hatte ich das neue preußische Preßgesetz vom 20. Juni gelesen.

Bei aller schönen Gelegenheit, ein angenehmes Bummlerleben zu führen, fand ich es hier denn doch sehr bald sehr langweilig. Ich wollte wieder mir ganz gehören und litterarisch thätig sein. Nachdem meine Wartegeldsquittung amtlich bescheinigt war, schickte ich sie an einen Freund in Berlin, um für mich das Geld zu erheben. Den 16. Juli ging ich abermals nach Hallgarten.

Ich war nun, wie ich es gewünscht hatte, wieder allein. Ich dichtete, las Mancherlei und machte Auszüge. Ich hegte noch immer die Hoffnung, daß dieser Tage Itzstein heimkehren würde, und seine Leute konnten es sich auch nicht anders denken, als daß ihr Herr täglich zu erwarten sei. Leider aber war Itzstein nach Auflösung der Nationalversammlung geflohen, ganz ohne Noth. Da las ich denn in der ›Freien Zeitung‹: ›Itzstein, dessen Geist gebeugt ist unter der Schmach des Vaterlandes, weilt am Genfersee – das alte weiße Haupt in der Fremde, von Deutschen vertrieben!‹

Erschrocken über diese traurige Nachricht, beschloß ich sofort meine Abreise. Ich ordnete nun meine Sachen, schrieb noch mehrere Briefe und ging den 26. Juli nach Bingen, blieb die Nacht dort und fuhr den folgenden Tag mit der Concordia nach Köln.

Dort besuchte ich sofort Freiligrath und bewog ihn, mich nach Düsseldorf zu begleiten. Wir waren den Abend bei Schmitz mit einigen Bekannten und trotz Belagerungszustand recht vergnügt. in: Mein Leben – „geflohen ganz ohne Not“ schrieb Hoffmann ca. 15 Jahre nach den Ereignissen, dabei handeln seine eigenen Briefe von der Angst vor Gefängnis und Verfolgung. Itzstein wird nach der erzwungenen Auflösung der Nationalversammlung vom 18. Juni 1849 sicher nicht ohne Not geflohen sein .