Onkel liebt Nichte

Ida war durch meine Briefe in Verlegenheit gekommen und wußte nicht was sie darauf antworten sollte. Sie wendete sich deshalb an ihre ältere Schwester Alwine und diese schrieb ihr am 9. Februar:

„Daß Du Onkels Briefe mitgeschickt hast, hast Du sehr gut gemacht, und wenn er es wüßte, würde er gewiß nichts dagegen haben, daß wir sie auch gelesen, denn sie enthalten weder Sinn noch Worte, die auch nicht für einen Dritten wären.

Ich habe Onkels Brief gleich verstanden, und es ist mir auch gar kein anderer Gedanke dabei gekommen, als daß er auf eine sehr liebenswürdige und trauliche Weise nach Dichterart darin scherzt, es liegt durchaus nichts darin was sowohl Dein Herz als Dein ferneres Benehmen gegen ihn in Verlegenheit setzen könnte, es ist die Sprache einer reichen und schönen Dichterseele, die einen Gegenstand gefunden hat, wovon sie glaubt mit sich im Einklange zu sein und gleich ihr die zarte Sprache schöner Gefühle empfindet und versteht.

Du kannst ihm ganz in einem solchen Tone antworten, wie er an Dich schreibt, schreib Dir das Motto »Scherz« ins Herz und schreib Alles was Dir Herz, Scherz, Witz und Schmerz eingibt, hülle Alles in zarte Worte ein und Du wirst gewiß die richtige Antwort treffen.“

Ida war unterdessen von mir benachrichtigt, daß ich sie abholen und mit ihr ihre Eltern besuchen wolle. Den 12. Februar traf ich in Braunschweig ein und den 14. kam ich mit ihr in Bothfeld an. Das Wetter war fortwährend schlecht, bald Regen, bald Sturm, bald Schneegestöber. Wir aber waren frohen Muthes und am Tage vor meiner Abreise war Idas Herz mein Herz geworden, und wenn wir auch nicht vor der Welt Braut und Bräutigam, so waren wir es doch für uns. Ida zu Liebe blieb ich noch zehn Tage in Braunschweig. Wir sahen uns täglich und es war mir erquicklicher bei ihr als sonstwo. in Mein Leben .