Verlobung mit Ida vom Berge

Am andern Morgen ging ich nach Bielefeld und den 29. Juli kam ich in Bothfeld an. Ich trat in das Pfarrhaus ein mit der festen Absicht, Ida zu heiraten. Ich war heiter und voll Zuversicht, daß ich mein Ziel erreichen würde. Die Zustimmung der Eltern schien mir gesichert, nur hatte der Vater als Geistlicher Bedenken: nach den hannoverschen Kirchengesetzen durfte er eine eheliche Verbindung zwischen so nahen Verwandten nicht begünstigen, ja es war vielmehr Pflicht für ihn, dagegen zu wirken, er mußte deshalb auch das Aufgebot und die Trauung ablehnen.

Es handelte sich also für mich nur noch um Ida. Ich betrachtete sie seit ihrer Zusage im letzten Frühjahre als meine Verlobte. Nach den Erforschungen, die ich jetzt hier anstellte, mußte ich leider schließen, daß sie sich nicht als Verlobte betrachtete und daß es überhaupt noch sehr fraglich sei, ob sie sich je zu einer Heirat mit mir verstehen würde. Ich eilte nun zu ihr selbst nach Braunschweig , und war vom 1.–4. August oft mit ihr zusammen.
Wie der Frühling nie ohne Kampf zu seiner Herrschaft gelangt, so sollte auch der Frühling meiner Liebe erst nach manchem Sturme in mein Herz einziehen.

Ida konnte sich nicht finden in ein Verhältniß, das gar nicht mit ihren Jugendträumen und Wünschen übereinstimmte. Kein Wunder! sie noch so jung, ich so alt, sie voll berechtigter Ansprüche an das Leben, ich vielfach enttäuscht und nach dem Glauben der Menschen einer der abgeschlossen haben, schon fertig sein muß mit sich und der Welt. Sie dauerte mich – es war ein heftiger Kampf in ihrem Herzen um Ja und Nein, sie war traurig, aufgeregt und endlich sehr leidend. Noch ehe ich kam, hatte sie schon diesen Kampf begonnen und sich um Rath und Trost an ihre Schwester Alwine gewendet. Diese hatte denn auch versucht sie zu trösten, aber ihr auch zugerufen – und das war noch am 3. August:

„Bedenke deshalb wol, was Du thust, indem Du ein Herz von Dir weisest, dessen ganzes Glück und Streben nur dahin geht, Dich glücklich zu machen. Ich kann nicht ohne Schmerz an Onkel denken. Du bist sein Anker, woran das ganze Glück seines Lebens hangt. Zerreiß ihn nicht so schnell diesen schwachen Faden, der Dein Herz noch an das seine fesselt!“

Auch ich war heftig bewegt, es war mir oft als ob mir das Herz zerspringen wollte. Nachdem ich mich mündlich und schriftlich gegen sie ausgesprochen und sie mich von einem Tag auf den anderen vertröstet hatte, entschloß ich mich weiter zu reisen. Ich ging nach Fallersleben. Zwei Stunden nach meiner Abreise hatte sich Idas Herz mir wieder ganz zugewendet. Erst am folgenden Tage erhielt ich ihr Schreiben und am 7. August kam sie selbst und begrüßte als glückliche Braut den glücklichen Bräutigam. Im Kreise unserer Familie verlebten wir frohe Tage. Mein Leben war zur Dichtung geworden und Ida ›war mein Taggedanke, war mein Traum.‹ (siehe Heidelieder für Ida )

Den 17. August verließ ich mit Ida meine Heimat. Wir blieben einen Tag in Braunschweig, packten ihre Sachen ein und fuhren den folgenden Tag nach Hannover. Unsere Sachen wurden auf einen Wagen geladen und wir traten unsere Wanderung zu Fuß an. Wir waren beide sehr heiter. Als mich zwei Handwerksburschen um eine Gabe ansprachen, sagte ich zu ihnen in halbernstem Tone: ›Was! ihr werdet doch von Euresgleichen nichts nehmen?‹ – Betroffen entschuldigten sie sich: ›Ach nein! ach nein!‹ – ›Nun, sagte ich lachend, es ist so böse nicht gemeint!‹ und beschenkte sie reichlich (in: Mein Leben)