Ich armer Sündenbock verschmachte
In dieser heißen Höllenglut
Und doch, wenn ich es recht betrachte
So geht´s mir immer noch zu gut
Ich habe mit Rescripten weiland
Geplagt die ganze Monarchie:
Ich war gewiß für sie kein Heiland
Und dennoch plagten sie mich nie
Ich habe mit Berichterstatten
Gepeinigt manchen braven Mann
Und was sie dann berichtet hatten
Das sah ich niemals weiter an
Ich habe durch Conduitenlisten
Und durch geheime Polizei
Verleitet viele gute Christen
Zu Lug und Trug und Heuchelei
Ich habe mit Censurerlassen
Gehemmt den Fortschritt unsrer Zeit:
Ich zwang die Welt, mich recht zu hassen
Und dennoch bracht ich’s nicht so weit
Ich habe jeden Stand beleidigt
Und als der Tod mich abgesetzt
Da haben sie mich noch vertheidigt
Gelobt und benedeit zuletzt
Ich habe mit des Fortschritts Schlangen
Gekämpfet wie Laokoon:
Die Zeit ist ruhig fortgegangen
Mein Herr wie ich hat nichts davon
Ich hab an meinen Herren immer
An unsern Herrngott nie gedacht:
Der liebe Herrgott hätt auch nimmer
Zum Herrn Minister mich gemacht
Nun schmacht ich in der Hölle Schlünden
Geschmückt mit Ordensband und Stern
Gern möcht ich büßen meine Sünden
Doch büß ich erst für meinen Herrn
Ich war auf Erden nie mein eigen
So schlage doch der Teufel drein
Ich kann mich nicht mehr anders zeigen
Muß immerfort Minister sein
Text: August Heinrich Hoffmann von Fallersleben ,
in: Deutsche Lieder aus der Schweiz , ca. 1842
18 Jahre später – die Revolution ist lange verloren – rechtfertigt sich Hoffmann von Fallersleben für dieses Gedicht in “ Mein Leben „, seinem Versuch, sich „reinzuwaschen“:
In diesen Tagen sah man in Breslau an mehreren Straßenecken einen großen gelben Bogen angeklebt: “ Der Minister in der Hölle “ illustriert. Ich war nicht wenig überrascht: das Gedicht war von mir, ich hatte aber an dieser Art von Veröffentlichung und noch dazu in jetziger Zeit nicht den mindesten Antheil. In Berlin hingegen glaubte man, das Gedicht sei jetzt erst von mir verfaßt und das Bild dazu von mir veranlaßt. Man konnte sich nicht denken, daß in einer Zeit, wo Wort und Bild erst wieder frei geworden waren, selbst die harmlosesten Menschen einen Kitzel verspürten, auch einmal etwas auszuführen was früher sehr strafbar gewesen wäre. Das Gedicht ist allerdings von mir in Breslau verfaßt, aber schon im Jahre 1842, und steht zuerst gedruckt in den ›Deutschen Liedern aus der Schweiz‹ 1842. S. 146, fällt also unter die Amnestie vom 20. März 1848.
Aus sicherer Quelle habe ich später erfahren, daß gerade dieser Eckenanschlag ein Hauptgrund gewesen ist, mich nicht wieder anzustellen. Einem Minister in Amt und Würden sollte es doch gleichgültig sein, ob sein früherer College in der Hölle oder sonstwo ist .