Der populärste Unbekannte

Hoffmann von Fallersleben studierte in Göttingen und Bonn. Ab 1830 hatte er eine Professur für deutsche Sprache und Literatur in Breslau inne. Als Germanist war er also bestens mit der deutschen Lyriktradition vertraut. Das inspirierte ihn früh dazu, auch eigene Gedichte und Lieder zu schreiben.

1840/41 erschienen die „Unpolitischen Lieder“, die alles andere als unpolitisch waren: Hoffmann von Fallersleben trat als patriotischer Dichter auf und polemisierte gegen Zensur und den Eigennutz der Fürsten, vor allem aber gegen die Kleinstaaterei. Den Gedanken an einen Nationalstaat, der „Von der Maas bis an die Memel“ reichen sollte, stellte er „über alles“. 1842 wurde er dafür der Universität und des Landes verwiesen.

Schon 1884 kritisierte Friedrich Nietzsche: „‚Deutschland, Deutschland über alles‘, ist vielleicht die blödsinnigste Parole, die je gegeben worden ist.“ Und spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnte kein Deutscher seine Nationalhymne singen, wie es sich Fallersleben gewünscht hatte: voller Stolz, so wie die Franzosen ihre Marseillaise schmetterten.

Doch in der Zeit vor der Revolution 1848 war der Patriotismus von Hoffmann von Fallersleben innenpolitisch höchst subversiv. Revolutionär allerdings war der traditionsbewusste Philologe keineswegs, darin unterschied er sich von zeitgenössischen Dichtern wie Heinrich Heine oder Georg Büchner. Und so war es nur konsequent, dass er ausgerechnet im Revolutionsjahr 1848 rehabilitiert wurde.

Popularität im Kinderzimmer

Für Hoffmann von Fallersleben war nicht das Lesen oder gar Auswendiglernen von Gedichten interessant. Er sah seine Verse als „unzertrennlich von Gesang“ an: Der Musik kam oft der gleiche Stellenwert zu wie dem Text. Kein Wunder also, dass er neben den politischen Liedern auch zahlreiche Trink-, Liebes- und Kinderlieder verfasste.

Durch die Nationalhymne ist Hoffmann von Fallersleben heute bei jedem Staatsakt und vor jedem Spiel der deutschen Fußballmannschaft zu hören. Auch „Alle Vögel sind schon da“, „Kuckuck, Kuckuck“ oder „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ kennt jeder – doch der Mann hinter diesen Liedern ist wahrscheinlich der populärste Unbekannte, den die deutsche Literaturgeschichte aufzuweisen hat.

so steht es im Brockhaus (von F.A. Brockhaus, Mannheim, Leipzig, 1885 )