Dennoch , trotz seiner Franzosenkritik, suchte Hoffmann, seine mangelnden Sprachkenntnisse bedauernd, auch in Frankreich nach seltenen alten Handschriften. So hoffte er in Valencienne auf einen bedeutenden Fund, vielleicht seinen wichtigsten: Und er fand ihn tatsächlich:
Brief an Jan Franz Willems in Gent, Valenciennes, den 29. September 1837
! Eureka ! ja lieber Freund, ich habe es gefunden, gefunden. Keiner aber hat auch mehr verdient es zu finden als ich. Die Reise von Brüssel hierher war eine der beschwerlichsten und langweiligsten, die ich je erlebt habe, diese verfluchten belgischen und französischen Dilligences ! worauf der Mensch nicht als Mensch, sondern als lebloses Frachtgut fortgeschafft wird von gewinnsüchtigen, meist rohen Schirrmeistern. Ich kam hier an nach einer schlaflosen Nacht halb zerschlagen und mit der wirklichen Angst, daß ich, krank wie ich war, kränker werden und niederliegen würde. Ich fragte sofort nach der Bibliotheque Publique. Man wies mich auf die Mairie.
Dort fand ich zum Glück Leute, die mich beschieden, daß die Bibliothek nicht dort, sondern anderswo sei, daß das alles Mr. Le Maire wisse, etc. Ich wußte nun wieder nicht, ob das Le Maire de la Ville oder der Bibliothekar namens le Maire war. Die Not und ein fester Wille führt zum Ziel. Ich fand bald den Lemaire, den Unterbibliothekar, zugleich Buchbinder, Vogelausstopfen und Konservator des Museums. Er war gern bereit, mir die Bücher zu zeigen; als ich aber sagte, daß mir daran gar nichts läge, daß ich nur die Handschriften sehen wollte, wies er mich an den Oberbibliothekar. Glücklicherweise war dieser nicht zu Hause, und so mußte mich doch M. Lemaire in die Bibliothek und zu meinem Zwecke führen.
Die Bibliothek ist wohlgeordnet und aufgestellt, leider aber stehen alle Handschriften zerstreut unter den Büchern. Ich begann nun Handschrift für Handschrift von einer Reihe ur anderen durchzugehen. Ich hatte bereits über hundert durchsucht und nichts gefunden, da mußte ich aufhören, wir gingen beide zu Tische. Meine Hoffnung war schwach geworden, aber noch nicht gestorben. Um zwei Uhr begann ich von neuem meine Haussuchung. Ich kam nun zu den Quartanten und gleich bei dem ersten Griffe hatte ich: “ Einan kuning uueiz ich “
Ich schlug vor Freude heftig den Unterbibliothekar, meinen Kollegen auf die Schulter: Voila ! daß ihm das Herz unter der Bluse bebte: Voila ! Was aber mußte ich sehen ! Vor dem deutschen Gedichte steht noch von derselben Hand ein romanisches: “ Buona pulchella fut eulalia “
So schildert Hoffmann selbst seine wichtigsten Entdeckungen, das Ludwigslied und den romanischen Lobgesang auf die heilige Eulalia. Wieder in Gent bei Willems ging beides sofort in Druck, von Willems ins Französische übertragen und später in dessen „Belgisches Museum“ aufgenommen. So war er einerseits ein „Niemand“ in Breslau, andererseits anerkannt und bewundert in Belgien, und in Holland Ehrendoktor. Wie hat er sich gefühlt zwischen diesen extremen ? Bernhard Lassahn hat einmal für diesen Zustand, in dem ich Hoffmann vermute, die Worte „Ohnmacht und Größenwahn“ geprägt,
Seine Reisen haben natürlich zur Bildung seiner politischen Anschauungen beigetragen, aber auch die Art, wie er reiste. 1835 war die erste Eisenbahnlinie in Deutschland, von Nürnberg nach Fürth eingerichtet worden, hier in Belgien reiste er erstmals mit der Bahn von Löwen nach Gent. Die Möglichkeiten , die die Eisenbahn bot, machte die deutsche Kleinstaaterei noch mehr zum Überbleibsel längst vergangener Tage.