Hoffmann von Fallersleben, vormals Professor in Breslau, gehört ursprünglich der altdeutschen Richtung an; seine Studien widmete er der deutschen Literatur, sie befreundeten ihn mit den Grimms und ihrer Schule; aber er unterscheidet sich von Uhland dadurch, daß er zuerst weniger romantisch und sodann satirisch-politisch auftrat. Schon im Musenalmanach von 1839 finden wir sein „Knüppel aus dem Sack“, welches bei der damaligen Stimmung gegen den Pietismus ungemein ergötzte.
Der Humor des Dichters steigerte sich mit dem Erfolge, den seine „Unpolitischen Lieder“ hatten. Man verbot sie und verwehrte den Zeitungen das Lob dieser harmlosen Humoresken; aber es war ein großer Irrtum, der Opposition den Humor zu verbieten; sie steigerte sich dadurch in vielen Köpfen zu einer viel entschiedeneren Ansicht und in manchen Herzen zu einem weit ernsthafteren Enthusiasmus, als ihn der Humor voraussetzt. Hoffmann selbst wurde ein Märtyrer und zugleich ein Propagator seiner Oppositionslyrik.
Er mußte seinen Lehrstuhl verlassen, und nun zog er von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf und erneuerte im eigentlichen Verstande die Bänkelsängerei, denn er paßte seine Satiren und Humoresken bekannten Volksmelodien, die er in großer Auswahl in Bereitschaft hat an, und trug nun Gegenstände der politischen Misere unserer Zeit abwechselnd nach heroischen und komischen Melodien zur großen Erheiterung seiner Zuhörer vor. Hoffmanns Persönlichkeit unterstützt die Wirkung seiner Gesänge in einem so überraschenden Grade, daß man dieselben Gedichte auf dem Papiere kaum wieder erkennt, von denen man in seinem Gesang zur lebhaftesten Aufregung fortgerissen war.
Unterdessen sind Melodie und Text durch den Propheten, der sein eigener unermüdlicher Apostel ist, in allen Gegenden von Deutschland bekannt und in vielen heimisch geworden. Eine Erinnerung an einige seiner gesungenen Lieder hat daher vornehmlich den Sinn, ihm die Ehre zu vindiciren, daß er nach einem langen Schlafe des Volksgeistes, die erste energisch und unermüdlich erneuerte Opposition durch politische Lyrik geführt.
Daß es möglich war, das unbefriedigte Volksgefühl in Humor aufzulösen, ist ein Symptom allgemeiner Bildung. Wie Berangers Humor sich zu der Restauration, so verhält sich Hoffmanns Lyrik zu unserer Reaktion und Philisterwelt.
Die große Masse der aufgeklärten Bürger muß von einer freisinnigen Lebensansicht und von der Forderung politischer Reformen und eines neues Lebens in der Region des öffentlichen Wesens schon durchdrungen sein, um den Hoffmann’schen Humor zu genießen. Wo die alte Verstocktheit noch festsaß, da wirkte seine Satire sichtbar verstimmend; als man sich daher überzeugen konnte, daß die Erheiterung bei weitem der allgemeinste Eindruck war, bedurfte es für den Politiker von Verstand keines Beweises mehr, in welcher Stimmung die Mehrzahl des Volkes sich befinde.
Obgleich Hoffmann jetzt schon wieder mehr zurück getreten ist, so muß man doch gestehen, daß die Erscheinung und die günstige Aufnahme seiner politischen Poesien ein politisches Experiment von großer Bedeutung war; und es ist nicht zweifelhaft, er wird noch eine zeit erleben, welche an ihm die jetzige Verfolgung wieder gut macht, da in jedem lande der Welt die allgemeine Stimmung die bestimmende wenn nicht schon ist, es in Kurzem werden muß.
Hoffmann lebt gegenwärtig in Mecklenburg seinen Studien. Seltener als sonst hört man einmal von einem Fest, daß er durch seine Gesänge erheitert.
Arnold Ruge, 1847, in: Die Politischen Lyriker unserer Zeit