Mit Ida unterhielt ich einen lebhaften Briefwechsel. Ich hatte ihr meinen Wunsch öfter schon mündlich ausgesprochen, sie möchte sich doch jetzt auch mit der Theorie der Musik beschäftigen, damit sie befähigt würde, selbst componieren zu können, auch empfahl ich ihr das Studium der Volksweisen.
Am letzten Januar schrieb ich ihr einen langen Brief und schloß:
„Ich entbehre es jetzt schmerzlicher als je, daß ich nicht selbst so viel spielen kann, daß es mir möglich wird, den Werth jeder Melodie sofort zu ermitteln. Meine Studien bringen mich nun einmal fortwährend ins Gebiet der Musik, ohne Musik kann ich nicht mehr leben. Wärst Du nur etwas in der Nähe, ich würde das schlechteste Wetter nicht scheuen, zu Dir eilen und Du müßtest dann mit Deinen langen Virtuosenfingern mir in einer Stunde viele hundert Melodien vorspielen! Ja, ich bin sehr allein und, wie ich gestern einer Freundin schrieb, nur auf eine Person beschränkt, mit deren Verkehr ich mich schon seit vielen Jahren begnügen muß, der ich jedoch immer neue Seiten abzugewinnen weiß, so daß mir meine Einsamkeit erheitert wird. Und diese Person ist meine Wenigkeit.
Die Poesie hat mich unter diesen traurigen Verhältnissen gerettet. Sie hat mich getröstet, erquickt, gestärkt und erhoben, daß ich am Ende doch noch kein Philister geworden. Nun, das wirst Du auch an meinem Briefe sehn.
Ich bin auch durchaus nicht niedergeschlagen durch den Umschwung, den auf Einmal die politische Entwickelung genommen hat. Die Idee der Freiheit wird trotz aller Reaction doch zur Verwirklichung kommen. Die Philister, die ihr bis jetzt noch entgegen sind und durch Masse, Geld und Aemter herrschen, sind doch auch nur von dieser Welt und der Teufel wird schon so gütig sein und sie gelegentlich holen. Also Muth, meine Geliebte, und Geduld! Unser wird der Sieg und wenn auch nicht heute und morgen, so doch einmal.
Wann schreibst Du nun? Jetzt will ich doch mal sehn, ob Du Deine neue Würde als Dichtergeliebte behaupten, ob Du meine glühende Sehnsucht nach Dir mit wenigstens 8 Seiten erwidern wirst!“
Den andern Tag packte ich meine Bibliothek ein. Zwölf Kisten wurden gefüllt, zugenagelt und mit Adresse und Nummern versehen. Erst am 3. Februar war ich mit diesem lästigen Geschäfte fertig. Ich nahm Abschied von Holdorf mit den Worten des Lamennais: ›L’exilé partout est seul.‹ in: Mein Leben –