Wenn die Lerche singt

Wenn die Lerche singt, wenn das Veilchen sprießt,
Wenn der Gießbach sich in das Tal ergießt
Wenn im Frühthau die Knospen sich dehnen,
Dann erbebt in Bangen und Sehnen,
In Leib und in Lust
Mir das Herz in der Brust,
Und es möchte fliehn mit dem Sonnenstrahl
Ueber Berg und Thal,
Durch Wald und Feld
Hinaus in die weite unendliche Welt.

Und so war´s in jedem Frühling:
Immer zog mein Herz hinaus,
Mit der alten Sehnsucht kam es
Immer wieder heim nach Haus.
Herz, wie bist du still geworden!
Was du suchtest, wurde dein:
Ja, es ist dein erster Frühling,
Wo du nicht mehr bist allein.
Sei gegrüßt, du Frühlingssonne!
Neues Leben, neue Wonne!
Ich darf kein Fremdling hienieden mehr sein –
Die weite unendliche Welt ist mein!

Fallersleben, 7. August 1849 , für seine Frau Ida vom Berge
später  veröffentlicht in Heidelieder für Ida (1860)