Verachtung und Haß gegen Landesherrn und Obrigkeiten

03Hoffmann hatte sich schon von diesem Deutschland verabschiedet, er lebte und wirkte für ein neues Deutschland, sein „Vaterland“: „Der Kampf ist begonnen, Frisch auf ins Gefecht!“ Und der Staat nahm ihn beim Wort. Noch im September verbietet Heinke den buchhändlerischen Vertrieb der Unpolitischen Lieder für Breslau. Erstmals werden Bände seiner Gedichte von der Staatsgewalt konfisziert., „wegen seiner verderblichen Richtung.“

Der preußische Kultusminister Eichhorn leitet eine Untersuchung ein Kaum ist Hoffmann nach Breslau zurückgekehrt wird er vorgeladen. Er erklärt in der ersten Verhandlung am 3. November 1841, daß er sich auf keine Interpretation seiner Gedichte einlassen werde. Als Dichter schreibe er auch weniger seine eigene Meinung, sondern spreche die Stimmung der Zeit aus. Außerdem habe seine Arbeit als Professor nicht mit seiner Lyrik zu tun. Das sah der Staat allerdings anders: Der zweite Teil der „Unpolitischen Lieder“ war bereits vor der ersten Vernehmung durch ministeriellen Erlaß in Preußen verboten worden.

„Der Inhalt dieser Gedichte hat als ein durchaus verwerflicher erkannt werden müssen. Es werden in diesen Gedichten die öffentlichen und sozialen Zustände in Deutschland, und respektive in Preußen, vielfach mit bitterem Spotte angegriffen, verhöhnt und verächtlich gemacht; es werden Gesinnungen und Ansichten ausgedrückt, die bei den Lesern der Lieder, besonders von jugendlichem Alter, Mißvergnügen über die bestehende Ordnung der Dinge, Verachtung und Haß gegen Landesherrn und Obrigkeiten hervorrufen und einen Geist zu erwecken geeignet sind, der zunächst für die Jugend, aber dann auch im allgemeinen nur verderblich wirken kann.“

Sein Bruder Daniel schreibt ihm. „Ich soll dich, wie mir von einer einflußreichen Person unter Fuß gegeben, warnen, dies tue ich hiermit.“ Hoffmann solle erklären, daß er die Lieder harmlos niedergeschrieben und nicht die Absicht gehabt habe, „Personen oder den Staat anzugreifen oder zu kränken.“

Aber dieser denkt nicht daran, irgend etwas zurück zu nehmen. Der Fall geht durch die Presse, die „Sächsischen Vaterlandsblätter“ berichten über den Fall „Hoffmann“, „eines der wenigen Blätter, das unter den damaligen traurigen Preßverhältnissen sich frei und ehrlich aussprach,“ ansonsten sorgten Zensur und Polizei für Schweigen.

Jacob Grimm schreibt ihm am 8. November: „Seit einigen Wochen gehen hier ungünstige Gerüchte um über Sie…Um Ihretwillen, aber auch für die Regierung selbst wäre mir lieber, daß an freie und dennoch Vaterland liebende Äußerungen kein peinlicher Maßstab angelegt würde; dergleichen sollte aber nicht auf die Spitze gebracht werden, weder im Anfechten noch im Verantworten. Sollten Sie indessen den preußischen Dienst verlassen, so tröste ich mich im voraus mit dem Gedanken, daß Sie sich schon lange in Breslau nicht mehr heimisch fühlten und Ihnen anderswo ein besseres Glück beschieden sein kann.“

Offensichtlich rechnet Grimm damit, daß Hoffmann das Land verlassen muß, denn er endet:“In Belgien oder Holland wären Ihre schönen Kenntnisse in dieser Sprache und Literatur schon am rechten Platz, und an mancherlei Bekanntschaft kann es Ihnen dort nicht gebrechen.“
Am 22. November werden die U.L. auch in Hannover verboten. Und am 8. Dezember werden alle Bücher von Hoffmann & Campe aus den Buchregalen in Preußen verbannt und der Verlag wird verboten. Nun muß Hoffmann befürchten, daß er auch persönlich belangt wird, obwohl, wie der Verlag in einem Brief an das preußische Ministerium schreibt, die Bücher mit Druckerlaubnis veröffentlicht worden waren, also die Zensur passiert hatten. Wenn auch nicht ganz freiwillig, so war Hoffmann von Fallersleben nun ein revolutionärer Schriftsteller geworden.
15.12.1841, Breslau, an Julius Campe in Hamburg
Allerdings ist noch nichts weiter als durch die Vaterlands – Blätter Bekannte gegen mich geschehen, aber ich fühle mich keineswegs sicher, und nach den Mitteilungen aus Berlin über das dortige Regieren und meinen Minister muß ich doch glauben, daß ich über kurz oder lang abgesetzt werde. Was soll ich dann machen ? Ich kann durch meine wissenschaftlichen Sachen mir nicht soviel verdienen, daß ich jährlich ein erträgliches Auskommen hätte. Meine Gedichte also sind mein letzter Anker. Oder soll ich von der Gnade anderer leben ?“
Den Fürsten zu Kreuze kriechen ? Niemals ! Viele Gedichte Hoffmanns in diesen Jahren verspotten Kollegen, die zu „Hofpoeten“ werden oder sich kaufen lassen, zum Beispiel durch Pensionen.Auch Goethe bekommt sein Fett weg.