In des Maies schönen Tagen (Mailied)

In des Maies schönen Tagen,
Auf, frisch auf ! und laßt uns jagen
durch den Wald und durch´ s Gefild.
Unsere Jagd gilt nicht den Füchsen,
nicht den Hasen, Rehen und Lüchsen,
frei sei heute jedes Wild!

Auf, frisch auf ! und laßt uns jagen,
alles Jammern, alles Klagen,
alle Not und Qual und Last;
Jagen laßt uns was uns bücket,
was uns zwängt und drängt und drücket
in den tiefsten Waldmorast !

Jagt die reichen Hungerleider
und die Hasser und die Neider
in den dicksten Dornenstrauch !
In die Nesseln werft den Haderer
an den Baum hängt jeden Naderer
und die Herren Zensoren auch.

Heute muß die Jagd gelingen:
Hört ihr nicht das Vöglein singen
auf des Maies Blütenast ?
„Wer die Freude will gewinnen,
muß zuvor den Kampf beginnen
mit des Lebens Leid und Last.“

Text: Hoffmann von Fallersleben , 20. Mai 1840
in Unpolitische Lieder I