Hoffmann von Fallersleben bekam allerlei Besuch auf Helgoland

Im Frühling und Sommer 1839 besuchte der Breslauer Literaturprofessor Heinrich Hoffmann von Fallersleben Österreich und die Schweiz und hatte Gelegenheit, die dortigen politischen Verhältnisse mit den vormärzlichen Zuständen in Deutschland zu vergleichen. Damals entstanden die unpolitischen Lieder, ein Tarnname für Gedichte, in denen er die üblen Erscheinungen in Staat und Gesellschaft, an Fürstenhöfen und beim Adel geißelte. Der Hamburger Verlag Hoffmann und Campe brachte die Gedichtsammlung heraus Auf der Rückkehr von Helgoland 1840 vereinbarte der Dichter bereits die 2. Auflage und überdies den Druck eines 2. Teiles, darin trat die revolutionäre Tendenz noch stärker hervor.

Hoffmanns Gedichte fanden schnell Verbreitung und begeisterte Leser. Seit den Tagen des Freiherrn Knigge um 1790 war die politische Forderung nach Änderung der Verhältnisse nicht mehr verstummt, sie hatte schon in der Franzosenzeit und 1817 und 1830, besonders aber durch reaktionäre Maßnahmen der Regierungen kräftig Auftrieb erhalten. Im Preußischen Kultusministerium regierte damals nicht mehr der liberale Altenstein, der die Hand über Hoffmann gehalten hatte, sondern der reaktionäre Eichhorn. Welches Gewicht der Stimme des Breslauer Freiheitsmannes in der Diskussion um Verfassung. Liberalisierung und .Demokratisierung zukam, war in den Amtsstuben bekannt. Mehrere deutsche Länder hatten Hoffmann den Zutritt verweigert. Im August 1841 befand er sich wieder auf Helgoland, das ja von 1807 bis 1890 englisch war. Über diesen Helgolandaufenthalt finden sich im Niedersächsischen Staatsarchiv interessante Akten, die Einblick in die Bespitzelung Hoffmanns durch die Hannoversche Regierung geben.

Man hatte einen gewissen Herrn „Kiesewetter aus St. Petersburg“ – vermutlich ist das ein Tarnname für einen Agenten – nach Helgoland geschickt, der Hoffmann und seine Freunde beobachten und die Hannoversche Regierung über ihr Tun unterrichten mußte. Kiesewetter berichtete am 29. August von Norderney aus über die Zusammenkunft hannoverscher Oppositionsmitglieder auf Helgoland am 21. und 22. August 1841.

„Die Doktoren Freudentheil und Holtermann aus Stade scheinen diese Zusammenkunft mit dem schon mehrere Wochen auf Helgoland gewesenen Professor Hoffmann aus Breslau, einem geborenen Hannoveraner und bekannten liberalen Poeten, verabredet zu haben. Am 21. August sind über hundert Landleute aus dem Bremischen unter Leitung von Freudentheil und Holtermann mit einem eigens dazu gemieteten Dampfschiffe gelandet und feierlich von Gleichgesinnten unter Hoffmanns Anführung am Ufer empfangen worden.

Nämlichen Tag hat die Oppositionsgesellschaft in einem Wirtshaus öffentlich zusammen geschmaust, gezecht und gesungen. Hoffmann hat mehrere schöne liberale und revolutionäre Reden mit anzüglichen Beziehungen auf die Maßregeln unserer Regierung gehalten, auch sollen viele Toaste mit verdeckten und verblümten Angriffen auf seine Majestät und Allerhöchst dero Regierung ausgebracht sein. Freudentheils Rede hat wenig Beifall gefunden und ist er späterhin durch Trunkenheit ganz unschädlich geworden. Hoffmann hat dagegen den rauschendsten Beifall gefunden, soll auch bei jeder Gelegenheit ebenso großen Eifer für die Sache der Opposition als Geist, Gewandtheit und Beredsamkeit an den Tag gelegt haben.

Der größere Teil der Badegäste hat keinen Teil an den Treiben der Opponenten genommen, sich vielmehr mit Widerwillen und Ekel davon abgewendet. Die Landleute haben nur durch ihr wildes Lärmen und Toben die Ruhe der Insel gestört, weder einen Funken eigenen Geistes noch das entfernteste Begreifen der ihnen vordeklamierten Dinge gezeigt. Mehrere hannoversche Badegäste, z.B. Konsistorialsekretär Wachsmuth, Dr. Haccius, Auditor Rohlfs, haben die an sie gerichtete Aufforderung zur Teilnahme abgelehnt und sich größtenteils unwillig entfernt. Die Sitzengebliebenen (worunter Kiesewetter mit einigen Landsleuten und Freunden) sind durch laute pereats gegen alle Verräter und Feiglinge verhöhnt worden.“

Der Agent vermerkt dann noch. daß am folgenden Tage, den 22. August, die Oppositionspartei eine geschlossene Versammlung gehalten habe, dabei seien Hoffmann, Freudeutheil und Holtermann die einzigen Redner gewesen. Was dabei geredet und verhandelt sei, wisse er nicht, wolle es aber, wenn er am 2 September nach Helgoland zurückkehre schon herausbringen und berichten. Hoffmann habe ein Spottgedicht auf den „Hamburger Korrespondenten“ wegen Aufnahme der die Opposition angreifenden Artikel verteilt, was großen Beifall gefunden. Er habe es auch unternommen, in mehreren öffentlichen Blättern die Sache der Opposition mit der Feder zu verteidigen.