Glauben an ein einiges, freies Deutschland

Wie es Ihnen mit Ihren schleswig-holsteinischen Liedern ergangen ist, so geht es mir mit den meinigen nicht viel besser. Was will das heißen, daß einige tausend Exemplare unter 40 Millionen Deutsche geschleudert sind ? Nirgend eine freudige Begeisterung. Jetzt, wo man singen sollte, sich zu beleben, sich frisch zu erhalten und in der Hoffnung eines guten Erfolgs zu stärken, jetzt schweigt man, und die nüchterne Prosa macht sich geltend. Allerdings sind die jüngsten Ereignisse niederschlagend und erbitternd, aber darum soll niemand, der es mit dem Vaterlande gut meint, den Mut verlieren, sondern frei und unerschütterlich auch in bösen Tagen für das Vaterland leben und wirken. Auch ich bin sehr verstimmet, mitunter erbittert, aber ich müßte mich selbst aufgeben, wollte ich den Glauben an ein einiges, freies Deutschland je verlieren.

(Briefe, S. 299)

20.2.1864, Schloß Corvey, an Michael Schletterer in Augsburg