18.5.1838, Breslau, an unbekannt
Meine Bibliotheksfehden dauern nun schon Jahre lang; seit 1.April 1837 ist mir mein Kustodiatsgehalt zurückgehalten, ganz widerrechtlich, beispiellos ! Seit einem Vierteljahre habe ich dreimal mein Gesuch um Entlassung aus dem Bibliotheks-Dienst eingereicht, seit dem 1. Mai 1838 bin ich endlich freiwillig ausgeschieden, weil es endlich so weit gekommen war, daß ich es meiner Ehre und meiner Subsistenz schuldig war, nicht länger auf der Bibliothek zu amtieren und der teuflischen Ungewissheit ein Ende zu machen – und dennoch keine Zeile Antwort, nicht was aussieht wie ein Bescheid !…Ich hoffe doch nicht, daß man meinem Entschlusse: nicht verhungern zu wollen (Anmerkung Hoffmanns: Ich habe als Prof. Ordinarius 300 Tlr., also etwa so viel, daß ich in Breslau 4 Monate auskomme.) und auch ferner im Dienste der Wissenschaft zu leben, Schwierigkeiten entgegensetzen wird. Das Ministerium hat für sein endloses Schweigen, womit ich seit Jahren wirklich gestraft, ärger als ein zu ewiger Untersuchung Verdammter, keinen weiteren Grund als die verfluchte Kölner Geschichte. (Erzbischof Droste zu Fischerings Streit mit der preußischen Regierung) Gott gebe nur, daß ich nicht gar aus Versehen in diesen großen Topf geworfen werde, denn sonst ist erst gar kein Ende abzusehen. (Briefe, S. 79f)
Dabei dichtet er weiter an dem, was bald darauf als „Unpolitische Lieder“ im ganzen Land bekannt wurde.
In Berlin werden Todesurteile gegen Mitglieder illegaler Handwerksgesellenvereine verhängt. Diese waren radikalen Gruppen, wie dem „Bund der Gerechten“, dem Karl Marx und Friedrich Engel angehörten, verwandet. Überall im Land gärt es. Ruge und Echtermayer in Halle, die Hoffmann wiederholt besuchte , veröffentlichen Theorien die auf Hegels Lehre von der Geschichte als Prozeß gründen. Marx und Engels entwickeln diese Theorien weiter. Hoffmann aber kämpft vor allem gegen die Philister.
Endlich, am 31. Dezember 1838 ist Hoffmann wirklich „Niemandes Knecht“. Er ist die Arbeit bei der Bibliothek los, seine „tagtägliche Frohnde“, wie er es nannte, die ihm „15 Jahre lang Stoff genug geboten hatte, ein prächtiges Stück zu schreiben zu Hufelands Kunst, das menschliche Leben zu verlängern, nämlich: Die Kunst, das menschliche Leben zu – verkürzen.
1839
Vom März 1839 bis zum 10. Mai ist Hoffmann von Fallersleben in Wien zu Forschungen. Dabei besucht er auch Ferdinand Wolf. In Wienbegegnet er Nestroy, den Satiriker und Volksdichter, den er widerwärtig findet. Zu Niklaus Lenau findet er keine Beziehung, dessen politische Anschauungen von Hegel und Saint-Simons Gedanken geprägt waren.. Auf dieser Seite bleibt er konservativ, lediglich auf die Pfaffen und Pfaffenfreunde und den kirchlichen Einfluß auf den Staat schimpft er. Von Wien aus reist er in die Schweiz, wo er mit deutschen Emigranten zusammentrifft, unter anderem mit dem ehemaligen Professor aus Jena, Lorenz Oken, in dessen Zeitschrift Isis er 1821 seine politischen Distischen veröffentlicht hatte. Bei diesen politischen Flüchtlingen fühlte er sich wie unter seinesgleichen. Nun schließt sich der Kreis, und seine Breslauer Zeit geht zu Ende.
„Die nächsten Tage verkehrte ich nur mit Liberalen, die ich unterdessen kennen gelernt hatte…..Die Reise hatte für mich den Vorteil, daß ich in meinen politischen Ansichten bald berichtigt, bald aber auch befestigt wurde.“
Während der Reise besucht er erneut Frankreichreise, verliert darüber abfälligen Bemerkungen über sein Gastgeberland: Hoffmanns politisches Programm hieß zuerst Vaterland und Deutschlands Einheit, er unterstützte die Unabhängigkeitsbewegungen anderer Völker, wie der Polen, der Tschechen und der Flamen, aber er war bei weitem kein Weltbürger sondern zutiefst nationalistisch gesinnt. Dabei haßte den Adel und die Fürstenknechte und die Pfaffen. Diese Mischung war damals nicht ungewöhnlich, und so kommt er in den nächsten Jahren in Kontakt mit dem ganzen politischen Spektrum von nationalistisch bis kommunistisch. Wenn er später diese Zeit in seiner Autobiographie beschreibt, muß man bedenken, daß er dies unter völlig anderen politischen Verhältnissen tut, als in der Zeit des sogenannten „Vormärz“, als sich die Revolution in Deutschland anbahnte.1840 kehrt Hoffmann also dahin zurück, wo er als Student einst begonnen hatte. „Wer reißt die Wände der Wirklichkeit ein ?“