Auf diese erquickliche Poesie folgte nun eine sehr unerquickliche Prosa. Um allen gesetzlichen Bestimmungen in Betreff meiner Heirat zu genügen, mußte ich mich unterziehen allerlei Schreibereien, Reisen, Besuchen und Verhandlungen. Da meine Braut als Braunschweigerin betrachtet wurde, und auf sie die braunschweigischen Gesetze Anwendung fanden, so war ein Haupthindernis beseitigt, nämlich daß der Oheim nicht seine Nichte heiraten darf. Nach vielen Wochen Hin- und Herschreibens und Reisens zwischen Braunschweig, Hannover und Bothfeld hatte ich denn endlich eine ganze Sammlung von Scheinen herbeigeschafft, theils für mich, theils für meine Braut, als da waren: Geburts- und Confirmationsschein, Heimatsschein, Aufgebotsschein von Waldalgesheim, elterlicher Zustimmungsschein, Heiratsconsens vom Minister von Ladenberg, und braunschweigischer Magistrats-Erlaubnisschein zur Trauung. Endlich mußte ich auch um Dispens vom kirchlichen Aufgebote einkommen.
Den 26. October gingen Ida und ihre Schwester Adele nach Braunschweig, um noch Vorbereitungen zur Trauung zu treffen. Den andern Tag folgte ich nach.
Am 28. October fuhren wir um 11 Uhr in die Martinikirche. Pastor Adolf Klügel hielt die Traurede. Er hatte zum Texte genommen Ruth 1, 16: „Wo du hingehest, da will auch ich hingehen; wo du bleibest, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott.“ Er sprach sehr schön, er wußte durch die Beziehungen auf mein Leben, die freilich sehr nahe lagen, aller Herzen zu rühren. In feierlicher und bewegter Stimmung endete für uns die heilige Handlung.
Frau Sturtevant, Idas mütterliche Freundin, empfing uns dann zum Hochzeitsmale, wozu sie noch Georg Fein nebst Frau eingeladen hatte. Wir waren sehr heiter. Zweimal trug ich das Abschiedslied an Frau Sturtevant vor.
Unter den Glückwünschen der Hochzeitsgäste nahmen wir Abschied und fuhren auf der Eisenbahn nach Hannover, wo ein Wagen bereit stand, der uns noch denselben Abend nach Bothfeld brachte. Frohe Herzen empfingen uns in dem festlich geschmückten Hause.
Mecklenburg
Das Wetter war für die Jahreszeit noch recht schön, und so beschlossen wir denn eine Reise nach Mecklenburg zu meinen Freunden. Ida war ganz entzückt und gerührt über die freundliche Aufnahme, die wir dort überall fanden. Sie gewann sich aller Herzen durch ihr offenes, anspruchloses und heiteres Wesen und wußte dadurch und durch ihr Klavierspiel die Stimmung der Gesellschaft zu beleben und zu erheitern.
Hamburg
Am 19. November in Hamburg. Wir wohnten im Alsterhotel. Obschon es recht unfreundliches Wetter war, so wanderten wir doch viel umher, besahen den Hafen, besuchten meinen Vetter F. Wiede in St. Paul und spazierten um das Alsterbecken. Das Leben und Weben einer Seestadt war neu für Ida und der wundervolle Anblick der Stadt, die sich in der Binnenalster spiegelt, machte einen gewaltigen Eindruck auf sie. Den andern Tag holte uns der Vetter ab. Wir besahen den Jungfernstieg, die Börse, fuhren durch den Hafen und speisten zu Mittag im Elbpavillon. Den dritten Tag waren wir wieder in Bothfeld.
in: Mein Leben –