100 Jahre Deutschland über alles

Wer Helgoland liebt, den frischen Seewind, den Herbststurm, der die Wogen der Nordsee donnernd gegen die roten Felsen wirft, die unvergesslich schönen Sonnenuntergänge, der wandert auch Tag für tag unten am Strand zum hochragenden Karl-Peters-Denkmal und dann hinüber zum Ehrenmal von Hoffmann von Fallersleben. Auf schlichtem Sockel, der mächtige Kopf, umrahmt vom vollen Jahr seiner Altersjahre, von grüner Patina geschmückt. Man hätte ihn darstellen sollen, wie er auf Helgoland einstmals umherging, wie er als vierzigjähriger durch Deutschland kreuz und quer zog, als Liebling der besten Deutschen gefeiert, mit der leichten Mütze auf dem Kopf, mit den scharfgeschnittenen Zügen und mit dem Wanderstab in der Hand.

1840 ist er zum ersten Male auf der Felseninsel in der Nordsee. Im ausgehenden Sommer 1841 kehrt er wieder und bleibt vom 11. August bis 5. September auf Helgoland. Schon am ersten Abend finden sich hannoversche Freunde im Konversationshause um ihn zusammen.Am 21. August kommen weitere hannoversche Landsleute vom Festland herüber und am nächsten Tag ist ein großes landsmännisches Mittagessen in Konversationshause und danach macht man bei wunderschönem Wetter eine Umfahrt um Helgoland.

Die Herzlichkeit seiner Landsleute drüben vom Festland aus dem Land der freien Marschen, dem Lande Hadeln, hat ihn tief gepackt. – W i r s t e h e n d i c h t v o r d e r E n t s t e h u n g d e r d e u t s c h e n N a t i o n a l h y m n e. Es haben sich Legenden um den Ort und Entstehung seines Liedes gebildet. Heimweh packt ihn nach dem prächtigen, ehrlichen blonden Riesen von drüben aus dem Küstenland., Heimweh nach Deutschland. Und so schreibt er:

„Am 23. August kehrten die meisten Hannoveraner heim. Da Wetter war schön, schöner noch die Erinnerung an diese lieben Leute aus dem Lande Hadeln in ihrem schlichten, treuherzigen Wesen, die mir so herzliche Teilnahme bewiesen hatten. Den ersten Augenblick schien mir Helgoland wie ausgestorben, ich fühlte mich sehr verwaist. [Den nächsten verschweigt der Autor – der passt wohl nicht ins mühsam aufgebaute Bild: „Und doch tat mir bald die Einsamkeit recht wohl: ich freute mich, daß ich nach den unruhigen Tagen wieder einmal auch mir gehören durfte.“)
Den ersten Augenblick schien mir Helgoland wie ausgestorben, ich f ü h l t e m i c h s e h r v e r w a i s t. Wenn ich dann so wandelte einsam auf der Klippe, nichts als Meer und Himmel um mich sah, da ward mir so eigen zu Mute, ich mußte dichten, und wenn ich auch nicht gewollt hätte. So entsatnd am 26. August 1841 das Lied: „Deutschland, Deutschland über alles“

Und er legt alles in dieses neue Gedicht hinein, was er an seinen Hadeler Freunden edel und liebenswert gefunden und was seine kampfesfrohe und kraftstrotzende Niedersachsenart und sein sehnendes deutsches Herz bewegt: Deutsche Frauen, deutsche Treue, deutscher Wein und deutscher Sang und die höchsten Güter, die er dem Deutschen wünscht: Einigkeit und Recht und Freiheit – denn die sind des Glückes Unterpfand. „B l ü h‘ i m G l a n z e d i e s e s G l ü c k e s, b l ü h e d e u t s c h e s V a t e r l a n d.“ – Das ist kein leicht vergessener Singsang und Klingklang, das ist das Beste, was ein geborener Dichter geben konnte. Deshalb hat es alle Wellenbewegungen der Zeit überdauert und trägt jetzt den einmaligen Namen: „Da s D e u t s c h l a n d l i e d“.